Die Schibulskis

17 Dezember 2013

Der Verweiß und ein Nachruf

Drehen wir das Rad der Zeit ein wenig zurück. Sagen wir um dreißig Jahre. Damals waren viele von uns alten Säcken noch schulpflichtig. Es war Sommer, die Sommerferien hatten begonnen und vor einem lagen sechs Wochen köstlichen Nichttuns. Wer wie ich vom Dorf kommt, hat eigentlich nur zwei Möglichkeiten die heißen Tage möglichst angenehm zu überstehen.
Entweder hält man sich in tunlichst klimatisierten Räumen, die bitte möglichst unter der Grasnarbe liegen sollten, auf oder man geht ins Freibad.

Warum ging man nun in die Batze?
  • um zu posen;
  • um die ganzen Schulkameraden wiederzusehen, von denen man am liebsten den Sommer über nix sehen wollte;
  • um zu baden;
  • um den Mädels auf die Möpse zu stieren;
  • weil es dort die leckersten Pommes der Welt gab;
  • um Unfug zu machen;
 Gerade aber beim letzten Punkt musste man gewaltig aufpassen, um nicht den Zorn unseres Bademeisters auf sich zu ziehen. Herr Schlüter war das, was man sich unter einem Vorzeigebademeister vorstellt:  Groß, braungebrannt, leichter Bauchansatz, schneeweiße Arbeitskleidung, ausgetretene Badelatschen und vor allem die riesengroße Sonnenbrille ließen keinen Zweifel daran, wer hier der Boss im Ring war.

 Was Herr Schlüter sagte, war Gesetz. Punkt. Da gab es keine Widerrede, kein Diskutieren, nix.

Er war wirklich ein sehr netter Bademeister, der mit seiner ruhigen Art immer ein sicherer Hafen und Anlaufstelle für uns war. Aber er konnte auch anders: Wenn jemand seinen Unmut erregte und er seine Stimme erhob, konnte man meinen, es hätte neben einem der Blitz eingeschlagen und der Donner übertönte alle anderen Geräusche.

Für mittelschwere Vergehen, wie z.B. in 10er-Gruppen gleichzeitig vom Fünfer springen, gab es die gelbe Karte. Ab diesem Zeitpunkt musste man aufpassen: Herr Schlüter kannte seine Pappenheimer und von seinem Wachturm sah er einfach ALLES!

Es durfte alles passieren, aber du durftest niemals soweit gehen, das er die rote Karte zücken musste. Das kam auch sehr selten vor. Aber manchmal passierte es dann doch. Der oder die Beschuldigte (meistens waren es aber die Jungs) bekam dann einen Verweiß - für den Rest der Sommerferien!

Höchststrafe!
Aus die Maus!
Schluß mit lustig!
Setzen - sechs!
MegaMonsterArschkarte!

Ich habe gestandene Neuntklässler gesehen, die mit Tränen in den Augen die Badeanstalt noch in derselben Minute verlassen mußten.

Das war für diejenigen dann auch meistens das Ende der Ferien. Wo sollten sie auch hin? Zwar gibt es in unserem kleinen Dörfchen noch ein oder zwei kleinere Seen, wo man zum Baden hingehen kann, aber was sollte man da? Meistens war man alleine da oder man mußte sich den Platz mit Anglern oder Älteren teilen. Zudem konnte man nicht die Annehmlichkeiten eines Schwimmbades in Anspruch nehmen. Es fehlte dort einfach alles: Der Tischkicker, die leckeren Pommes, die bunte Tüte für eine Mark und vor allen dingen die Gesellschaft der anderen.

Wenn ich mir jetzt den Text nochmal so durchlese klingt es fast wie ein Nachruf an Herrn Schlüter.

Ich habe viele lustige, angenehme, spannende, anstrengende und auch verregnete Nachmittage an diesem Ort, der von vielen Pappeln umsäumt ist, verbracht. Viele meiner damaligen Freundschaften habe ich am Beckenrandes unseres Freibades geschlossen und immer war auch irgendwie der Bademeister mit dabei.

 Dafür, lieber Paul möchte ich dir danken und, wer auch immer das von deiner Verwandschaft oder Familie liest, dem sei gesagt, das du mich in diesen Sommertagen mit deinem laissez-faire-Stil auch ein kleines bißchen gesprägt hat.  

    

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