Die Schibulskis

04 April 2013

Staunachbarn

04. April 2013, auf der Autobahn Richtung Bremen. 10 km Stau vor dem Elbtunnel Richtung Süden und ich und ein paar Arbeitskollegen mittendrin.

Die mittlere Spur und alle paar Minuten ruckt mein Clio ein paar Meter weiter vor, bis wieder alles zum Erliegen kommt. Links neben uns ein älteres Ehepaar. Das die beiden sich nicht mehr viel zu sagen haben, sieht man mit einem Blick. Er stiert leicht genervt nach vorne und sie blättert lustlos in einer Illustrierten. Nennen wir sie Karl Heinz und Luise.


Ich wende meinen Blick nach rechts und sehe einen jungen Typen in seinem aufgemotzten BMW, der andauernd auf sein Smartphone glotzt um dann mit Vollgas die  größere Lücke, die mittlerweile entstanden ist, zu schließen. So ein Kevin-Justus (mit Bindestrich!) halt.

Hinter uns ein Wagen mit Pinneberger Kennzeichen, wo hektisches Treiben auf der Rücksitzbank herrscht. Ein Papa mit seinen beiden Söhnen, denen langweilig ist und das Auto kurzerhand zum Spielplatz umfunktionieren. Andreas steht kurz vorm Herzinfarkt, weil Sven und Felix nicht das machen, was Papi will.

So geht es quälend langsam voran und links und rechts schieben sich im Schneckentempo andere Menschen in ihren Blechkarrossen vorbei. Ich schaue kurz in den Rückspiegel und Papa Pinneberg hat mittlerweile wieder die Zügel in die Hand genommen, denn anscheinend sitzen die beiden Jungs mit vom Weinen geröteten Augen wieder ruhig im Hinterteil der Familienkutsche.

Kevin-Justus (mit Bindestrich!) hat sich mittlerweile vor uns gesetzt und steht, obwohl vor ihm ein gutes Stück Strasse frei ist. Ich hupe, er schaut von seinem Handy auf und seine Karre macht einen Riesensatz nach vorne, bricht ein wenig aus und kommt kurz vor der Stoßstange seines Vordermannes zum Stehen. Ich grinse in mich hinein und rolle langsam hinter ihm her.

Ein paar üble Witze meiner Kollegen später kommen wieder Karl Heinz und Luise vorbeigetuckert. Das eisige Schweigen scheint sich zu einem heftigen Streit entwickelt haben, denn aus irgendeinem Grund drischt sie mit ihrer Zeitung auf den armen Kerl ein.

So stehen wir also gemeinsam über eine Stunde mehr oder weniger zusammen in diesem Stau. Kevin-Justus(mit Bindestrich!) hat mittlerweile seinen Funkknochen aus den Fingern gelegt und legt jetzt in der Tat kontinuerlich Meter zurück. Ich schaue rüber zu Luise und sie schaut traurig und ein wenig resigniert zurück.

Ein Blick in den Rückspiegel: Andreas und die Kiddies sind weg - vermutlich kurz vor dem Elbtunnel die Abfahrt genommen und auf dem Weg nach Hause. Lasst euch das Abendbrot gut schmecken und sieh zu, das Sven und Felix in die Heia kommen!

Die Strecke wechselt von drei auf zwei Spuren und endlich sind wir in der Röhre. Die Autos nehmen Fahrt auf und jetzt geht es flott weiter. Kevin-Justus (mit Bindestrich!) habe ich aus den Augen verloren, nur noch Karl Heinz und Luise schlingern in ihrem froschgrünen VW Beetle vor uns durch den Tunnel.

Man sieht das Licht am anderen Ende des Tunnels und wir beschleunigen auf einen dreistelligen km/h-Wert und der Wagen des Ehepaares verschwindet in der Dunkelheit hinter uns. Macht es gut ihr beiden und vertragt euch wieder, wenn ihr wieder daheim seid.

Für eine Stunde waren wir alle Staunachbarn - und wer weiß - vielleicht sehen wir uns im nächsten Stau wieder. Dann habe ich Kaffee und Kuchen für uns alle dabei.




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