Die Schibulskis

09 Januar 2013

Bei Oma Nienburg schlafen


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Zu meinem 30. Geburtstag habe ich von meiner Mum eine Art Collage mit der Überschrift "Ein dreißigjähriges Leben" bekommen. Darin: Stationen meines Lebens, mit alten Fotos und darunter meistens ein flotter Spruch.

Auf einem dieser Bilder sind mein Bruder und ich zu sehen, wie wir in die Kamera lachen (da mußten wir so sieben oder acht Jahre alt gewesen sein) und darunter steht :"noch lachen sie, aber sie müssen heute nacht bei Oma Nienburg schlafen". Immer wenn ich das lese, kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

"Bei Oma Nienburg schlafen" war eine ganz besondere Art der Bestrafung wenn wir mal wieder was ausgefressen hatten. Diese spezielle Oma war Kettenraucherin, extreme Puzzlefanatikerin und ganz vernarrt in ihre Strickmaschine (ein unhandliches Monstrum, was wie am Fließband pottenhässliche Pullover und Socken produzierte - dazu später mehr). Wenn uns die Oma nicht den Rest gab, dann kam Opa Nienburg an die Reihe. Der Opa liebte nichts mehr wie seinen Zweiten-Weltkriegs-Sammelkarten-Album-Scheiss und seine Zigarren und hasste eins: KINDER!


Ideale Voraussetzungen für einen spaßigen Vormittag und einen aufregenden Nachmittag, nicht wahr? Was macht man also an einem strahlenden Samstagvormittag? Genau, Fußballspielen. Der Wohnblock, wo Oma und Opa wohnten hatte einen riesigen Rasen auf der Hinterseite. Wir also raus und gebolzt. Ganz klar das das ein Gejuchze und Gegröhle vom feinsten war. Keine 5 Minuten später raste Opa wie von der Tarantel gestochen aus seiner Butze und schimpfte erstmal mit uns; wir sollten gefälligst leiser sein, die Nachbarn (die anscheinend alle aus alten Säcken bestanden) wollen in Ruhe ihren Mittagsschlaf machen. Gut, war das also auch gegessen.

Die Freizeitmöglichkeiten in diesem Teil der Stadt waren damals arg begrenzt (ich vermute, sie sind es heute auch noch). Links von dem Wohnblock lungerten immer ältere Jungs rum, die anscheinend nichts besseres zu tun hatten, als kleine Prökse wie uns zum Frühstück zu verputzen nur um danach unsere Knochen auszukotzen. Der Weg war also versperrt.

Blieb also nur noch der Minigolfplatz. Ein letzter Strohhalm, an denen wir uns solange klammerten, bis es nicht mehr ging: Wir bolzten absichtlich die Bälle in die Pampa, spielten Bahnen zweimal hintereinander, nur um nicht zu früh wieder zurückzumüssen. Nachdem es schon anfing zu dämmern und die Minigolfschlägerundbälleausgebetante uns schon mißtrauisch beobachtete und immer wieder auf ihre Armbanduhr linste, machte sich dann auch das schlechte Gewissen breit und wir trotteten mit hängenden Köpfen zurück.

Da sassen sie wieder beide. Mißmutig setzte ich mich auf das Sofa, während mein Bruder (der schon etwas anders gestrickt ist) sich mit meinem Opa über Angeln unterhielt, während dieser nebenbei noch in seinem Weltkriegsalbum schmöckerte. Können die beiden nicht einfach die Klappe halten? dachte ich mir, während ich Oma Nienburg dabei zuschaute, wie sie mit ihrer Strickmaschine die hässlichsten Pullover der Welt produzierte, die sie uns dann zu Geburtstagen oder Weihnachten schenkte. Diese Pullover mussten drei grundlegende Eigenschaften haben:

1. Sie mussten die hässlichsten Farben der Welt haben und irgendwie hatte meine Oma nen Faible für Braun. Es gab Pullover, die waren rosablaubbraun, rotlilabraun, grünbraunweiß, dunkelorangehellorangebraun und mein ganz besonderer Liebling: der tolle Biene-Maja-und-Willi-Pullover: gelb-braun gestreift. Ich habe ihn gehasst und ich musste ihn trotzdem stänidig tragen. Eltern können manchmal echt grausam sein, aber damals in den siebziger Jahren hörte man noch auf das, was einem die Erziehungsberechtigten sagten.

2. Irgendwie schaffte es meine Oma, diese Pullover so eng zu schneidern, das wir beide aussahen wie Presswürste und sich die Rippen durch den Stoff abzeichneten.

3. Schön eng mussten die Wunderwerke sein und hoch an den Hals rangehen. Egal was für Wetter war, Hauptsache alles unterhalb des Kinns war gut luftdicht verschlossen.

Der Abend zog sich also wie Kaugummi, die Entertainmentmöglichkeiten erschöpften sich in Puzzlestücke ineinanderfriemeln oder zwischen den 5 möglichen Fernsehsendern hin- und herzuswitchen, was uns allerdings auch verboten wurde. Ich hab´s dann doch getan und es verschaffte mir eine grimmige Befriedigung, es den beiden doch noch ein klein wenig zu zeigen.

Um 21.00 Uhr ging es dann in die Heia. Wenigstens ein kleiner Trost, dachte ich. Falsch gedacht.

Kennt ihr diese Häuser, die den Geruch von alten Leuten annehmen, die viel rauchen und wenig lüften? Genau dieser Geruch strömte nun aus dem Schlafgemach, das man uns zugeteilt hatte. Die Bettdecke war irgendwie klamm und verströmte diesen eigenartigen Duft, der sich auch in dem riesigen Eichenfurnierkleiderschrank, in den Teppichboden und in den Gardinen festgesetzt hatte.

Normalerweise haben 99,9 % aller Bettdecken die Fähigkeit, sich an den Körper zu schmiegen, sobald man darunter liegt. Nicht aber diese. Diese spezielle Bettdecke hatte die Konsistenz von Beton und von schmiegen konnte nicht die Rede sein, ich hatte eher das Gefühl, das diese KIPPELTE. So lag ich völlig ruhig und voller Unbehagen unter diesem merkwürdig starren Federkleid und wagte es nicht, mich zu rühren, da ich die Befürchtung hatte, die Decke könnte runterrutschen und beim Aufschlag auf den Boden in 1000 kleine Teile zu zersplittern. Das schien meinen Bruder nicht im geringsten zu stören und nach kurzer Zeit hörte ich das gleichmäßige Atmen und das leise Gurgeln; da wußte ich, er schläft und träumt von Sachen von denen kleine Brüder nun mal so träumen.

Da lag ich nun schlaflos und merkwürdig einsam und verlassen in einem Bett, in einem Raum, in einem Haus in dem ich nicht sein wollte und wenn ich mich jetzt an dieses Gefühl erinnere, weiß ich, wo ich genau dieselbe Empfindung schonmal hatte: In der ersten Nacht beim Bund. Daran wird sich jeder, der schonmal da war, erinnern. Es war einfach nur schrecklich.

Der Morgen kam und das Frühstück leider auch, was nicht wesentlich besser war, als der Rest des Tages davor. Während wir so da saßen und ich kurz vorm Heulen war, klingelte es an der Haustür und meine Mum stand in der Küchentür. Da ging die Sonne auf.

Ich habe nie wieder bei Oma Nienburg geschlafen.

3 Kommentare:

  1. Einfach nur LOL. Gute Unterhaltung!

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  2. Anonym11:33 AM

    *lach* EINFACH NUR KLASSE geschrieben.. wessen Eltern waren das denn?? Von Deiner Mum???? Klingt ja echt gruselig..!!

    LG
    Nicole

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  3. thx. Das waren die Eltern von meinem Vater. Die Mutter von meiner Mutter lebt noch bei meinem Eltern mit im Haus und ist eine ganz liebe.

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