Die Schibulskis

11 März 2013

Tütchen?



Wer jahrelang im Einzelhandel gearbeitet hat, der wundert sich über fast nichts mehr. Aber eine Sache will mir nicht aus dem Kopf gehen. Viele Kunden stürzen scheinbar über die simple Frage nach einer Tüte (oder meinetwegen auch Einkaufstausche, aber das sag ich eh nie, weil es einfach viel zu lang ist und sich außerdem disfunky anhört) in eine Lebenskrise.

Bei meinem Feldexperiment muß man allerdings die Kundschaft in drei verschiedene Typen teilen. Da wäre

erstens: Der Coole

"Darf´s eine Tüte sein?"
" Nee lass mal, ich hatte heute schon eine."
Ich habe diesen vermeintlichen Witz mindestens schon sechs Millionen Mal gehört und kann mir noch nichtmal ein höfliches Lächeln abringen. Wohlig ums Herz wirds mir erst wieder, wenn der Kunde feststellt, das seine Jackentaschen leider doch nicht mehr so stabil sind, wie damals vor zwanzig Jahren, als der Mantel gekauft wurde, und das Spiel, allen Regeln der Schwerkraft folgend, etliche Zentimeter tiefer mit einem satten Platsch auf dem Boden aller Dinge landet.

zweitens:
Der Unentschlossene

"Eine Tüte dazu?"
"..."
 


Stille. Wundervolle Stille. Ein ausdruckloses Gesicht schaut mich von der anderen Seite des Tresens an.In der Zwischenzeit sehe ich draussen auf der Fronthaube eines Autos Schildkröten bei der Paarung zu, sehe, wie die Blätter von den Bäumen fallen nur um kurz darauf wieder neu zu wachsen, sehe sich Kontinente verschieben, sehe Sonnensysteme entstehen und sterben, sehe, wie mein Leben an mir vorbeirauscht. HALLLLOOOO?!?!?! Ich habe den Kunden doch nicht gefragt, ob ich mit seiner Frau schlafen möchte, oder ob er lieber Kroketten anstatt Pommes zu seinem Zigeunerschnitzel möchte. Die Frage nach einem kleinen Stück Plastik, in dem ich meine erworbenen Waren sicher und sauber nach Hause tragen kann, scheint die Hälfte der Leute in eine kurzfristige "Erstarrung" zu stürzen, aus der sie dann, so hat es den Anschein, wie aus einem schlechten Traum aufzuwachen, kurz den Kopf zu schütteln, um anschließend solche Sachen zu sagen wie: "Ja, den Bon hätte ich gerne." Öhm...???
 

drittens: Der Entschlossene

Ein gutgekleideter Herr kauft vor Weihnachten ein Spiel für seinen Enkel. Soweit sogut. Es kommt, wie es kommen muß: Gnadenlos schlägt mein Automatismus zu: Kohle, Ware, Bon, Tüte!

Der ältere Herr rabiat: "Ich brauche keine Tüte!" Sprichts und fummelt an seinem sauteuren Armanianzügchen rum. Er drückt, er flucht, er drückt nochmal. Mit geschultem Blick und jahrelanger "Das-Spiel-ist-zu-groß-für-die-Tasche"-Erfahrung sehe ich schon: Das wird nix! Das scheint den Endachtziger aber nicht nicht aufzuhalten. Verdammt nochmal, der Typ hat zwei Kriege überlebt und lässt sich jetzt bestimmt nicht von so einem Stückchen Stoff in die Knie zwingen. Das Textil sieht das allerdings etwas anders und ohne Gegenwehr und mit einem lauten "RAAAATTTTSSSSCCCHHHH" reissen die Fäden aus ihrer Verankerung. Verdutzte Stille beim Herrn gegenüber, die Gesichtszüge gleiten von verärgert zu peinlich überrascht in gleichem Maße wie die Gesichtsfarbe von einem ärgerlichen blassweiß in ein charmantes schamrot überschwenkt. Mit erstickter Stimme wendet er sich dann doch an mich: "Ich denke, ich brauche doch eine Tüte..."

GEHT DOCH!!!!!!

2 Kommentare:

  1. Anonym9:33 PM

    GÖTTLICH einfach nur zum schreien ;-D

    AntwortenLöschen
  2. danke, danke. Nicht zuviel der Komplimente. sonst werde ich noch ganz roooottt. (bin doch so schüchtern) ^^

    AntwortenLöschen